Natgas beschäftigt 100 Mitarbeiter und ist insbesondere im Geschäftssegment Strom- und Gaslieferungen massiv gewachsen. Zuletzt gab die Gesellschaft einen Umsatz von über drei Milliarden Euro bekannt, der vor allem auf das Geschäft mit Großkunden zurückzuführen ist. Damit unterscheidet sich die Natgas-Insolvenz maßgeblich von vergleichbaren Konkursen unter Strom- und Gaslieferern in der jüngeren Vergangenheit – darunter Teldafax, Flexstrom und die Bayerische Energieversorgung BEV, die hauptsächlich Haushalte belieferten.
White & Case bringt viel Erfahrung mit energierechtlichen Insolvenzen mit. Die Kanzlei begleitete bereits die Verfahren von Teldafax und Flexstrom. Bei Flexstrom war Schulte-Kaubrügger ebenfalls Insolvenzverwalter. Im Team mit den White & Case-Insolvenzrechtlern Philipp Hackländer, Sylvia Fiebig, Florian Kleinschmit, Lucas Zoppke und Martin Neumann berät er nun Natgas.
Die Rettung des Strom- und Gaslieferers und seiner 100 Mitarbeiter könnte schwierig werden. Vor allem die langfristigen Lieferverträge mit Großhändlern wie Gazprom, die unter die Insolvenzverordnung fallen, könnten Probleme bereiten. Daneben ist Natgas abhängig von den sogenannten Bilanzkreisverantwortlichen Gaspool und NetConnect. Sie können den Bilanzkreis kündigen, womit sämtliche Gaslieferungen von Natgas an ihre Industriekunden unmöglich würden. Dem Vernehmen nach ist eine Kündigung allerdings nicht zu erwarten. Berichten zufolge wollen sich betroffene Großkunden die Gasbelieferung mittels Sondervertrag über die dreimonatige Notversorgung hinaus absichern.
Banken nicht überzeugt
Der Insolvenz gingen Umstellungen unter den Gesellschaftern voraus. Anfang August verkündete der Tankspezialist Marquard & Bahls, dass er seine Anteile an Natgas an den Mitgesellschafter Friedrich Scharr veräußert hat. Das Unternehmen wolle sich auf sein Kerngeschäft Tanklagerlogistik und Flugzeugbetankung konzentrieren. JUVE-Informationen zufolge war zuvor bereits ein Versuch der beiden Eigentümer gescheitert, die gesamte Natgas zu veräußern.
Handlungsbedarf war wohl vor allem entstanden, weil sich das Bankenkonsortium am starken Wachstum ohne erkennbares Geschäftsmodell störte. JUVE-Informationen zufolge konnten sich die Gesellschafter nicht auf eine gemeinsame Linie einigen, weswegen die Banken Konsequenzen zogen.
Bekannt ist, dass sich die Banken zuletzt von den Allen & Overy-Partnern Dr. Sven Prüfer und Dr. Franz-Bernhard Herding beraten ließen. Beide sind regelmäßig im Team für Banken sowie für Gesellschaften in Restrukturierungsprojekten aktiv, zuletzt unter anderem für Gerry Weber. Natgas setzte im Vorfeld der Insolvenz auf McDermott-Partner Kampshoff, der zuletzt bei der Warenhausfusion von Karstadt und Kaufhof für Signa federführend beriet. Der Restrukturierungsberater Andersch steuerte den Verhandlungen mit den Banken ein Sanierungsgutachten bei.
Ob die Natgas-Gesellschafter Scharr und Marquard & Bahls für den geplanten Verkauf externe Berater hinzuzogen, ist nicht bekannt. Das Hamburger Familienunternehmen Marquard & Bahls setzt regelmäßig auf Hogan Lovells. Auch für Scharr sind Kanzleibeziehungen bekannt: Erst im Frühjahr entschied der Bundesgerichtshof ein geschichtsträchtiges Kartellverfahren, in dem das Unternehmen sich von Prof. Dr. Ulrich Schnelle von Haver & Mailänder vertreten ließ. (Martin Ströder)