Interview zur Blockchain-Technik

„Software-Entwickler werden den Transaktionsanwalt ersetzen“

Blockchain-Fans erwarten von der Technologie fast die Rettung des Universums, Skeptiker sprechen von einem Hype. Wie geht es weiter, nachdem die ersten Milliarden investiert sind? Im Gespräch mit JUVE erklärt Florian Glatz, Anwalt und Blockchain-Experte, die rechtlichen und regulatorischen Herausforderungen der Blockchain – und welche Rolle Anwälte bei diesem Thema (noch) spielen.

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JUVE: Blockchain – kaum eine Diskussion über die Zukunft der Finanzwelt und des globalen Handels kommt ohne diesen Begriff aus. Doch über was reden wir eigentlich, wenn wir über Blockchain ­sprechen?

Florian Glatz: Blockchain ist eine neue digitale Infrastruktur, über die Transaktionen jeder Art abgewickelt werden können. Das besondere daran ist, dass es sich um eine gemeinsam von allen Wirtschaftsteilnehmern betriebene Infrastruktur handelt. Heute benutzen alle Teilnehmer der Wirtschaftsmärkte eigene Lösungen – man kann auch von Datensilos reden. Das hat zur Folge, dass
Transaktionen über zeitaufwendige und teure Wege ablaufen, weil Mittelsmänner gebraucht werden. In der Blockchain-Zukunft wird sich dieses Paradigma ändern: Die Wirtschaftsteilnehmer, etwa im Bankensektor oder im Versicherungswesen, betreiben gemeinsam eine Plattform und nutzen alle dieselben Transaktionsformate beziehungsweise Datenstandards. Ein großer Teil der heutigen Automatisierung scheitert daran, dass es keine Schnittstellen zwischen den verschiedenen IT-Systemen und keine gemeinsamen Standards gibt. Das Blockchain-Paradigma bricht grundsätzlich diese Diversität: Alle nutzen dieselben Protokolle, dadurch gibt es mehr Möglichkeiten der Standardisierung und somit der Automatisierung.

Hemmt die Rechtsunsicherheit die  Weiter­ent­wicklung von Blockchain?
Definitiv. Es gibt verschiedenen Bereiche, in denen Rechtsunsicherheit herrscht. Eines der größten Probleme ist der formelle Beweiswert der Daten in einer Blockchain. Eigentlich soll durch die Technologie der Beweiswert einer digitalen Information erhöht werden. Fraglich ist momentan jedoch, ob ein Blockchain-Eintrag einen Beweiswert vor Gericht darstellen kann. Auch bei elektronischen Signaturen, mit denen in der Blockchain gearbeitet wird, ist unklar, welchen Wert sie im Rahmen des EU-Signaturrechts haben. Ein weiteres riesiges Problem ist die Frage der Besteuerung des Handels und der Emission von Kryptowährungen und anderer neuer Asset-Klassen. Ich bin mir sicher, dass die meisten Leute, die mit Kryptowährung zu tun haben, in irgendeiner Form gegen Regeln verstoßen, obwohl sie es nicht wollen. Es ist auch unglaublich schwer, einen Steuerberater zu finden, der bei diesem Thema einen Rechtsrat erteilen kann. Auch bei ICOs, also Blockchain-Schwarmfinanzierungen, ist die finanzmarktregulatorische Relevanz unklar. Die BaFin hat zu diesem Thema nicht einmal eine offizielle Stellungnahme abgegeben.

Smart Contracts sind Verträge, die sich auf Grundlage der Blockchain-Technologie „selbst verwalten“ und automatisiert abgewickelt ­werden. Wird da die klassische Tätigkeit von Anwälten obsolet?
Kommt darauf an, was man als klassische Tätigkeit von Anwälten ansieht. Das Bedürfnis sich rechts­sicher und legal in der Welt zu bewegen, wird nicht wegfallen. Dafür braucht man einen Anwalt. Smart Contracts sind auch nicht unbedingt das Äquivalent eines Rechtsvertrags. Es ist zwar möglich, mit einem Smart Contract die Transaktionslogik eines klassischen Vertrags abzubilden und zu automatisieren. Das geht aber nur insoweit, als dass die Vermögenswerte, über die bei der Transaktion verfügt werden soll, auch über diese konkrete Blockchain verfügbar sind. Wenn es keine Schnittstelle zwischen der Blockchain und den Vermögenswerten gibt, ist ein Smart Contract auch nicht wirklich nützlich. Anwälte werden daher vermutlich im Transaktionsbereich wegfallen. Der Anwalt, der Transaktionen strukturiert und Vertragsklauseln aufsetzt, könnte durch einen Softwareentwickler ersetzt werden, der diese Tätigkeiten als Smart Contract programmiert. 

Wer programmiert die Smart Contracts? Der juristisch versierte Programmierer oder der Anwalt mit Softwarekenntnissen?
Das ist eine gute Frage (lacht). Es wird darauf ankommen, wie gut die Werkzeuge sind, die wir entwickeln werden. Entweder sind die Werkzeuge so fortgeschritten, dass tatsächlich ein IT-versierter Jurist, der kein echter Programmierer ist, sie nutzen kann. Oder sie sind nicht gut genug und der Jurist muss mit einem Programmierer zusammenarbeiten. Was Juristen fehlt, ist die Fähigkeit, die Transaktion in dem Blockchain-Medium zu formulieren. Da werden interdisziplinäre Teams und die Zusammenarbeit zwischen Jurist und Entwickler wichtig.

Das Gespräch führte Helena Hauser. Das komplette Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des JUVE Rechtsmarkt (11/2017).

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