Schon länger hatten Anlegervereinigungen damit gedroht, neben der deutschen EY-GmbH auch die in London ansässige internationale Gesellschaft der Wirtschaftsprüferin in Anspruch zu nehmen. Eine von der Anlegervereinigung DSW unterstützte Klägergemeinschaft in Form eines niederländischen Stiftungsmodells hat nach eigenen Angaben eine 80.000 Seiten dicke Klage über 700 Millionen Euro beim Landgericht München I eingereicht. Gegen EY Deutschland – und EY Global. Der Muttergesellschaft werfen die Kläger vor, „ihre elementaren Überwachungspflichten und Compliance-Mindeststandards im Verhältnis zu EY Deutschland verletzt“ zu haben.
DSW arbeitet dabei mit der Kanzlei ihres Vizepräsidenten Klaus Nieding, Nieding + Barth, zusammen. In den Niederlanden tritt AKD als Rechtsberaterin der Stiftung auf. Die Stiftung gibt an, dass die Klage von einem britischen Prozesskostenfinanzierer unterstützt wird.
Klageabwehr statt Konzernspaltung
Während schon lange bekannt ist, dass EY Deutschland Lutz Abel und ein Team um Dr. Michael Zoller für die Abwehr aller Anlegerklagen mandatiert hat, war noch nicht öffentlich, wer für EY Global in den Ring gehen würde. Inzwischen ist klar, dass Linklaters unter Federführung ihres Litigation-Partners Dr. Christian Schmitt diese Aufgabe übernommen hat. Er wollte diese Information auf JUVE-Anfrage jedoch nicht kommentieren. Linklaters pflegt international enge Kontakte zu EY und sollte beispielsweise bei der geplanten, aber letztlich gescheiterten Aufspaltung der Big-Four-Einheit helfen.
Ebenfalls kurz vor Jahresende hat auch Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé seine schon länger erwartete Klage über 1,5 Milliarden Euro Schadensersatz gegen EY eingereicht. Schauplatz dafür ist das Landgericht Stuttgart, wo Jaffé auch schon erfolgreich einige Scharmützel über die Herausgabe von Akten gegen EY geführt hat. In Stuttgart stehen sich für Jaffé Dr. Thomas Liebscher von SZA Schilling Zutt & Anschütz und für EY Deutschland Dr. Marc Zimmerling von Allen & Overy gegenüber.
EY prüft in eigener Sache
Der dritte Komplex, in dem sich EY mit seiner Wirecard-Vergangenheit herumschlagen muss, ist das Verfahren der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas. Diese hat Mitte Dezember offiziell den Bescheid über das Berufsaufsichtsverfahren zugestellt, die Ergebnisse und Sanktionsentscheidungen waren allerdings schon seit April 2023 bekannt. EY hat Einspruch gegen den Bescheid eingelegt, allein schon, um Zeit zu gewinnen, den 2.000 Seiten starken Bericht ausführlich zu prüfen. Dann erst soll klar sein, ob man den Einspruch auch inhaltlich unterfüttert oder zurückzieht.
Die Verteidigung im Apas-Verfahren hat EY Freshfields Bruckhaus Deringer anvertraut, die auch Lead Counsel der Wirtschaftsprüferin im Gesamtkomplex ist. Das Apas-Team wird von Dr. Juliane Hilf, Dr. Markus Benzing und Dr. Simone Kämpfer geleitet.
Der Apas-Bericht ist für EY nicht nur deshalb von Bedeutung, weil er ihre Tätigkeit als Wirtschaftsprüferin wichtiger Konzerne („PIE-Konzerne“) sanktioniert und daher von großem wirtschaftlichen Interesse für die Gesellschaft ist. Auch Klägervertreter und Strafverfolger interessieren sich für die Erkenntnisse der Aufsichtsbehörde und beispielsweise ihre Haltung dazu, ob die EY-Prüfer fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt haben könnten. Bei vorsätzlichem Handeln wäre eine Haftungssumme nicht mehr gedeckelt und könnte sich angesichts des Milliardenschadens durch die Wirecard-Pleite ins Unermessliche steigern. Medienberichten zufolge geht die Apas jedoch nicht von Vorsatz aus.