Laut der EU-Handelskommissarin hat Vietnam dem neuen EU-Modell für den Investitionsschutz zugestimmt, das statt der Ad-hoc-Schiedsgerichte eine ständig besetzte Gerichtsbarkeit mit einer Berufungsinstanz vorsieht. Damit prescht die EU-Kommission schneller vor als viele Investitionsschiedsrechtler erwartet hatten. Doch schon bei ihrer Pressekonferenz im September zeigte sich Malmström fest entschlossen, dieses schlank besetzte, zweistufige Gerichtsmodell für Investitionsstreitigkeiten gegebenenfalls zunächst mit anderen Ländern umzusetzen, sollte es im Rahmen der TTIP-Verhandlungen mit den USA nicht bald Anwendung finden.
Die EU-Kommission kann bei ihrem Vorstoß mit Vietnam auf die Rückendeckung des deutschen Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel zählen. Schließlich hatte sein Ministerium von dem Erlanger Völkerrechtler Markus Krajewski schon im Frühjahr ein Modell für ein neues Investitionsschutzabkommen und einen internationalen Investitionsgerichtshof erarbeiten lassen. Wie ein solches bilaterales Gericht besetzt werden soll, ist zwar mit Blick auf TTIP schon auf EU-Papier ausformuliert, doch für Praktiker des bisherigen Systems der Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) noch nicht ganz vorstellbar. Zumal ein multilateraler, großer Gerichtshof manchen erstrebenswerter erscheint als eine Übergangsphase mit vielen bilateralen Konstrukten nebeneinander.
Das jüngste Freihandelsabkommen mit Vietnam soll – gemäß der neuen Transparenz-Selbstverpflichtung der EU – in den nächsten Wochen vollständig veröffentlicht werden, bevor es dann dem Ministerrat und dem EU-Parlament zur Ratifizierung vorgelegt wird. Vietnam, das mehr als 90 Millionen Einwohner zählt, ist bereits das zweite Land aus dem Verband Südostasiatischer Nationen, kurz ASEAN, mit dem Europa ein Freihandelsabkommen ausgehandelt hat. Im letzten Jahr schloss die EU ein solches bereits mit Singapur. Doch dessen Umsetzung lässt noch auf sich warten.
Nach JUVE-Informationen legte der Juristische Dienst der EU-Kommission am 10. Juli dieses Jahres dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) das Singapur-Abkommen vor, damit dieser die Rechtsnatur klären kann. Es geht um die Frage, ob das Abkommen in die ausschließliche Kompetenz der EU fällt oder ob es auch Kompetenzen der Mitgliedstaaten betrifft. Wäre allein die EU zuständig, müsste nur das Europäische Parlament dem Abkommen zustimmen. Wären die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten berührt, müssten alle nationalen Parlamente dem Abkommen zustimmen.