In dem Streit geht es um drei ehemalige Manager, der größte Teil der Forderung entfiel auf Uwe Sehlbach. Dieser war zwischen 1999 und 2011 Mitglied der Geschäftsführung und des Vorstands des betroffenen Bereichs ‚Schienen‘. Thyssenkrupp argumentierte in der Klage, Sehlbach habe aktiv an den Kartellverstößen mitgewirkt, die zu dem Bußgeld geführt hatten.
Wie das ‚Handelsblatt‘ berichtet, hat Thyssenkrupp sich nun mit dem Konsortium der D&O-Versicherer, das von Allianz Global Corporate & Speciality (AGCS) und AIG geführt wird, auf die Zahlung eines niedrigen zweistelligen Millionenbetrages geeinigt.
Versicherer zahlen weniger als 10 Prozent der geforderten Summe
Der Streit beschäftigte in den vergangenen neun Jahren vor allem die Arbeitsgerichte bis hin zum Bundesarbeitsgericht (BAG). Dieses erklärte die Arbeitsgerichtsbarkeit aber für unzuständig und verwies das Verfahren an die Kartellkammer des Landgerichts Dortmund. Der aktuelle Vergleich bedeutet, dass die Richter nicht mehr über die grundsätzliche Frage entscheiden werden, ob Unternehmen Manager für Kartellbußen haftbar machen können.
Das Bundeskartellamt hatte im Schienenkartell 2012 und 2013 rund 191 Millionen Euro Kartellbuße verhängt, die Thyssenkrupp daraufhin begleichen musste. Zuzüglich Anwaltskosten und Schadensersatzzahlungen belief sich der Schaden für den Konzern nach Unternehmensangaben auf etwa 300 Millionen Euro. Schon Ende 2012 verklagte Thyssenkrupp vor allem Sehlbach auf Schadensersatz in Höhe von 291 Millionen Euro. Er sei haftbar, da er seine Aufsichtspflichten als Geschäftsführer verletzt habe.
Vor dem Arbeitsgericht Essen und dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hatte Thyssenkrupp keinen Erfolg mit seiner Klage, 2017 hob das BAG das Urteil auf und verwies den Fall ans Landgericht Dortmund.
Laut ‚Handelsblatt‘ zahlten die Managerhaftpflichtversicherungen nun weniger als 10 Prozent des geltend gemachten Schadensersatzbetrages. Der Streit ist damit abgeschlossen, der Vergleich bedarf nicht der Zustimmung der Thyssenkrupp-Hauptversammlung.
In einem ähnlichen Fall hatte 2020 das Landgericht Saarbrücken die Klagen von Villeroy & Boch abgewiesen. Das börsennotierte Keramikunternehmen wollte vier frühere Vorstandmitglieder wegen des EU-Bußgeldes in Anspruch nehmen, das wegen des Sanitärkartells gegen Villeroy & Boch verhängt worden war. Die Klage blieb erfolglos: Frühere Organvertreter seien nicht für Kartellbußen haftbar zu machen, entschied das Gericht. Die europarechtliche Absicht der Bußgeldbescheide richte sich gegen Unternehmen, nicht gegen Einzelpersonen.
Vertreter Thyssenkrupp
dkm Rechtsanwälte (München): Felix Kratz, Dr. Knut Müller (beide Arbeitsrecht)
Inhouse (Essen): Dr. Sebastian Lochen (General Counsel/Chief Compliance Officer), Christian Miege (Head of Compliance Investigations), Matthias Kuhlmann (Compliance Officer Investigations)
Vertreter Uwe Sehlbach
Aulinger (Essen): Dr. Andreas Lotze (Federführung; Kartellrecht), Dr. Markus Haggeney (Corporate/Organhaftung), Dr. Jens Hausmanns (Compliance), Prof. Dr. Johannes Heyers (Kartellrecht)
Berater AGCS und AIG
BLD Bach Langheid Dallmayr (Köln): Bastian Finkel; Associate: Katja Labusga (beide Versicherungsrecht/Organhaftung)
Vertreter Ex-Manager L.
Seitz (Köln): Christian Achtmann (Arbeitsrecht/Corporate), Dr. Constantin Axer (Corporate)
Vertreter Ex-Manager Q.
Buse (Essen): Jürgen Masling (Federführung; Arbeitsrecht), Dr. Jan-Peter Degner (Konfliktlösung)
Hintergrund: Alle Vertreter und Berater sind aus dem Markt bekannt.
In den kartellrechtlichen Verfahren des Komplexes wird Thyssenkrupp vor allem von einem Freshfields Bruckhaus Deringer-Team um Dr. Uta Itzen vertreten, mit dem sich dkm auch in den Verfahren gegen die ehemaligen Manager eng abstimmte. Beim aktuellen Vergleich war aber die Münchner Arbeitsrechtskanzlei allein für den Konzern im Einsatz. Kratz war mit Namenspartner Knut Müller auch schon dabei, als das BAG das Verfahren zurückverwies, damals noch als Associate. Seit Juni 2020 ist er Equity-Partner der Kanzlei, die viele Haftungsprozesse sowohl auf Unternehmens- als auch Organseite führt.
Auf Inhouse-Seite begleitete nach JUVE-Informationen Sebastian Lochen den Vergleich, der seit Januar 2021 offiziell Group General Counsel des Stahlkonzerns ist. Diese Position hatte Lochen schon zuvor kommissarisch übernommen, nachdem General Counsel Arne Wittig (heute bei Deloitte Legal) Thyssenkrupp verlassen hatte. Lochen war zuvor drei Jahre Chief Compliance Officer des Konzerns.
Sehlbach setzte in dem gesamten Verfahren auf ein Aulinger-Team um den erfahrenen Kartellrechtler Lotze und Haggeney als Gesellschaftsrechtsexperten.
Eine wichtige Rolle in dem Vergleich spielten die D&O-Versicherer, deren Konsortialführer nach JUVE-Informationen von BLD beraten wurden. Das ist keine ungewöhnliche Konstellation: Die Kölner Partner Finkel und Björn Seitz berieten ihre langjährigen Mandanten Allianz und AIG etwa auch im vergangenen Jahr beim Vergleich zwischen VW und dem Ex-Konzernchef Martin Winterkorn sowie drei weiteren früheren Top-Managern. AGCS hatte auch das Verfahren zwischen Villeroy & Boch und ihren ehemaligen Vorständen beobachtet und sich dabei von einem Hogan Lovells-Team beraten lassen.