Grundsatzurteil

Zwangslizenzeinwand im Patentprozess ist zulässig

Wer ohne Lizenz nach einem patentierten Industriestandard produziert, kann sich gegenüber der Klage des Patentinhabers auf Unterlassung mit dem kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand verteidigen. Allerdings muss sich der Nutzer in diesem Fall verhalten wie ein fiktiver Lizenznehmer und zumindest Lizenzgebühren hinterlegen. Das hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs am Mittwoch in dem so genannten "Orange Book"-Urteil entschieden.In dem konkreten Fall regelt der BGH mit seinem Urteil zwar grundsätzlich die Zulässigkeit des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands, dem Revisionsbegehren von Master & More, SK Kassetten, Global Digital Disks sowie deren Geschäftsführer folgte das Gericht jedoch nicht. Geklagt hatte 2001 die Koninklijke Philips Electronics N.V. gegen die Hersteller und Vertreiber von CDs auf Patentverletzung. Das Landgericht Mannheim und das Oberlandesgericht Karlsruhe verurteilten die Unternehmen daraufhin auf Unterlassung und Zahlung von Schadensersatz an Philips.

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In der Auseinandersetzung stritten die Unternehmen um Techniken für das Beschreiben von CDs. 1990 hatten Philips und Sony im so genannten Orange Book diese Techniken festgelegt. CDs können einerseits gepresst, andererseits einfach (CD-R) oder mehrfach beschrieben werden (CD-RW). Das Orange Book setzt für CD-R und CD-RW die entsprechenden Industriestandards.

Philips ist Inhaberin eines wichtigen Grundlagenpatents, das andere Produzenten für die Herstellung von CD-Rs oder CD-RWs benutzen müssen. Die Niederländer haben mit zahlreichen Unternehmen einen Standard-Lizenzvertrag geschlossen, nicht aber mit den Beklagten. Das Unternehmen stelle demnach ohne eine Genehmigung von Philips Datenträger her und vertreibe sie, so Philips. Die Beklagten hatten stets eingewandt, die von Philips geforderte Lizenzgebühr sei überhöht und diskriminierend, weil andere Unternehmen günstigere Konditionen erhielten.

Die BGH-Richter urteilten ungeachtet des Zwangslizenzeinwands, dass die Urteile der Vorinstanzen gegen die Beklagten Bestand haben, weil das Unternehmen nicht einmal die nach Ansicht des Gerichts geschuldete Lizenzgebühr von drei Prozent abgerechnet oder hinterlegt hatte. Ob Philips mit der Forderung einer höheren Lizenzgebühr ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht hat, musste das Gericht nicht entscheiden.

Mit dem Urteil sind die beklagten Unternehmen rechtskräftig wegen Patentverletzung verurteilt. Philips steht nun die Möglichkeit offen, auf Schadensersatz zu klagen. Zudem führen beide Parteien parallele und ähnlich gelagerte Auseinandersetzungen. (Mathieu Klos)

Vertreter Philips

@ENGEL & RINKLER (Karlsruhe): Axel Rinkler (BGH-Vertretung)

ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU (Hamburg): Walter Schüschke, Dr. Christoph Cordes; Associate: Olaf Gelhausen

EISENFÜHR SPEISER & PARTNER (Bremen): Jochen Ehlers (Patentanwalt)

INHOUSE (Eindhoven): Jan de Vries

Vertreter Master & More, SK Kassetten, Global Digital Disks

@ACKERMANN & GENIUS-DEVIME (Karlsruhe): Dr. Brunhilde Ackermann (BGH-Vertretung)

WALLINGER RICKER SCHLOTTER FOERSTL (München): Dr. Michael Wallinger (Patentanwalt), Dr. Uli Foerstl

STEIN & PARTNER (Aachen): Dr. Edgar Stein (Kartellrecht); Associate: Tim Grüttemeier

CAEMMERER LENZ (Karlsruhe) – aus dem Markt bekannt

Der Hamburger Patentrechtler und Esche-Partner Schüschke vertritt Philips seit Jahren in Prozessen. Ebenso intensiv arbeitet der Elektronikriese auch mit der Patentkanzlei Eisenführ zusammen und hier namentlich mit ihrem bekanntesten Patentanwalt Jochen Ehlers.

Stein, die auf Beklagtenseite für die kartellrechtlichen Aspekte verantwortlich zeichnete, gehört in der Region Aachen zu den anerkanntesten Adressen im Gesellschafts- und Kartellrecht.

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