Alexander von Voß, der sein Amt derzeit ruhen lassen muss, ist seit März 2016 Chief Legal Officer von ProSiebenSat.1 Media. Sein Team wird nach JUVE-Recherchen interimsweise von Dr. Holger Kämpgen, Senior Vice President Legal Affairs, geführt, der bereits seit 15 Jahren im Unternehmen ist. Als Berater wurde Dr. Patrick Wolff engagiert. Der frühere General Counsel von Uniper hatte sich im Mai 2021 als of Counsel dem Münchner Büro von Shearman & Sterling angeschlossen und wechselte mit dem Team vor Kurzem zu Morgan Lewis & Bockius.
Schreck im Frühjahr
ProSiebenSat.1 hat derzeit an mehreren Fronten zu kämpfen. Zu der internen Untersuchung kommen noch Forderungen aus dem komplexen Gesellschafterkreis.
Ende Februar gab das Unternehmen per Ad-hoc-Mitteilung bekannt, man verschiebe „mit Blick auf regulatorische Fragestellungen im Zusammenhang mit dem zum Segment Commerce & Ventures gehörenden Geschäft von ‚Jochen Schweizer mydays‘ den Termin für die Veröffentlichung des Jahres- und Konzernabschlusses für das Geschäftsjahr 2022“. Denn zwei Tochterfirmen könnten in Teilen unter das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) fallen, was sich auf die laufenden Wirtschaftsprüfungsarbeiten auswirken würde. Daher müsse möglicherweise auch der Termin für die ordentliche Hauptversammlung verschoben werden, der für Anfang Mai geplant sei.
2017 hatte der Konzern die Mehrheit an der Jochen Schweizer GmbH übernommen, die innerhalb der Jochen Schweizer-Unternehmensgruppe das Geschäft mit Erlebnisgeschenken betrieb. Dieses Geschäft führte man mit der Prosieben-Tochter Mydays zusammen. An der neuen Gesellschaft sollte ProSiebenSat.1 knapp 90 Prozent halten, Gründer Jochen Schweizer wurde mit rund 10 Prozent beteiligt.
„Von der Ad-hoc-Mitteilung wurde ich überrascht“, sagte Jochen Schweizer gestern gegenüber JUVE, „ aber ProSiebenSat.1 hat sich später sehr bemüht, mich umfassend in Kenntnis zu setzen.“ Er habe ein ausgezeichnetes Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden Bert Habets im Markenhaus der Jochen Schweizer Arena in Taufkirchen gehabt, so der Unternehmer.
Anlässlich der Vorstellung der mit Verzögerung gelieferten Konzernzahlen 2022 in dieser Woche räumte ProSiebenSat.1 ein, dass aktuell eine unabhängige interne Untersuchung durch eine Rechtsanwaltskanzlei durchgeführt werde, um „etwaiges Fehlverhalten aufzuklären, insbesondere im Hinblick auf Pflichten der betroffenen Gesellschaften nach dem ZAG“. Zudem habe die Staatsanwaltschaft München I einen Beobachtungsvorgang eingeleitet. ProSiebenSat.1 und deren betroffene Tochtergesellschaften würden umfassend mit den zuständigen Behörden kooperieren.
Die möglichen finanziellen Belastungen im Zusammenhang mit den behördlichen Untersuchungen seien derzeit noch nicht abschätzbar, könnten aber erheblich sein, so der Münchner Konzern. In den vergangenen Wochen habe man die regulatorischen Fragen zu Jochen Schweizer mydays zeitnah und mit der gebotenen Sorgfalt aufgearbeitet und auch das Produktangebot angepasst.
Kampf um die Stühle im Aufsichtsrat
Die Hauptversammlung soll nun am 30. Juni 2023 stattfinden. Die Gesellschafterstruktur bei der Mediengruppe ist dabei komplex. Zuletzt hatte die tschechische ProSieben-Sat.1-Großaktionärin PPF nach eigen Angaben ihre Gesamtbeteiligung auf 10,1 Prozent aufgestockt und einen Sitz im Aufsichtsrat gefordert. Eine angemessene Vertretung im Aufsichtsrat fordert ebenfalls schon länger der italienische Konzern Media For Europe (ehemals Mediaset). Dieser hält derzeit über 22,7 Prozent der Anteile an der ProSiebenSat.1-Gruppe.
Berater ProSiebenSat.1-Aufsichtsrat
Skadden Arps Slate Meagher & Flom (München): Dr. Bernd Mayer, Michael Albrecht vom Kolken (beide Compliance)
Kliemt (München): Dr. Burkard Göpfert; Associate: Maximilian Melles (beide Arbeitsrecht)
Glade Michel Wirtz (Düsseldorf): Dr. Marco Sustmann, Dr. Alexander Retsch; Associate: Dr. Jakob Müllmann (alle Kapitalmarktrecht)
Berater ProSiebenSat.1-Vorstand
SZA Schilling Zutt & Anschütz: Dr. Martin Gross-Langenhoff (Aufsichtsrecht; München), Dr. Marc Löbbe, Dr. Cäcilie Lüneborg (beide Compliance; beide Frankfurt), Dr. Martin Kolbinger (Corporate; München), Dr. Micha Brechtel (Mannheim), Dr. Andreas Herr (Frankfurt; beide Aufsichtsrecht), Dr. Steffen Henn (Datenschutzrecht; Mannheim); Associates: Joachim Nerz, Dr. Matthias Huhn (beide Frankfurt), Till Kotterer-Rädecke (alle drei Aufsichtsrecht), Dr. Gerrit Krämer, Alexander Stolz, Dr. Pius Dolzer (alle Mannheim), Tanja Hütt, Thomas Poschenrieder, Christoph Lukas, Carla Hack (alle München), David Kleineidam, Isabelle Köhl (beide Frankfurt; alle Corporate), Dr. Simon Apel (Datenschutzrecht; Mannheim)
Knauer (München): Prof. Dr. Christoph Knauer (Strafrecht)
Milbank (München): Dr. Christoph Rothenfußer, Dr. Norbert Rieger (beide Corporate/Kapitalmarktrecht)
Berater Jochen Schweizer mydays
Annerton: Dr. Susanne Grohé (Berlin), Dr. Matthäus Schindele (München; beide Aufsichtsrecht)
Hintergrund: Alle Berater sind aus dem Markt bekannt.
Skadden-Partner Mayer, der die Compliance-Praxis der Kanzlei leitet, soll nach JUVE-Informationen das Investigationsmandat zusammen mit European Counsel Albrecht vom Kolke führen, der regelmäßig Vorstände und Aufsichtsräte zu Corporate Governance und Compliance berät.
Sie arbeiten eng mit dem Führungskräfte-Experten Göpfert von Kliemt und dessen Team zusammen. Beide Sozietäten berieten im vergangenen Jahr bereits gemeinsam den Aufsichtsrat von Continental.
Für die kapitalmarktrechtliche Begleitung in der Sache Jochen Schweizer myday hat der Aufsichtsrat zusätzlich noch ein Team von Glade Michel Wirtz mandatiert. Die Federführung hat dort Partner Sustmann übernommen.
Auch der Vorstand hat externe Berater
ProSiebenSat.1 ist eine Stammmandantin von Milbank. Die US-Kanzlei beriet seinerzeit auch beim Kauf des Jochen Schweizer-Geschäfts und unterstützt mit einem Team um Rothenfußer auch regelmäßig die Vorbereitung der Hauptversammlungen. Partner Rieger begleitet die Gremien der Mediengruppe auch aktuell kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlich im laufenden Geschäft.
Für die Aufarbeitung der regulatorischen Sachverhalte mandatierte der Vorstand ein Team von SZA. Mit dem Transaktionsteam um den Münchner Partner Kolbinger hatte die Mediengruppe in den vergangenen Jahren schon auf einigen Transaktionen zusammengearbeitet. Hier kam nun zum einen Partner Gross-Langenhoff hinzu, der sich regelmäßig mit aufsichtsrechtlichen Fragen – insbesondere zu Zahlungsdienstleistungen – befasst, sowie das Compliance-Team der Sozietät.
Strafrechtlich wird der Vorstand dem Vernehmen nach von Prof. Knauer unterstützt. Der langjährige Namenspartner der Strafrechtsboutique Ufer Knauer arbeitet seit Jahresbeginn mit einem fünfzehnköpfigen Team aus München, Berlin und Frankfurt unter dem Kanzleinamen Knauer.
Die Portfoliogesellschaft Jochen Schweizer mydays wird in den aufsichtsrechtlichen Abstimmungsprozessen laut Marktangaben von Annerton beraten. Die Regulatorikboutique hatte sich 2020 als Spin-off von Aderhold gegründet und ist auf Fintechs und Zahlungsdienste spezialisiert.
Auch einige Manager der Sendergruppe – bei denen durchweg die
Unschuldsvermutung gilt – dürften sich inzwischen anwaltlich beraten lassen. Chefjurist Voß hat dem Vernehmen nach Peter Staudacher von der gleichnamigen Arbeitsrechtsboutique Staudacher mandatiert.
Der ausscheidende CFO Gierig hatte dem Vernehmen Dr. Benedikt Forschner und Dr. Daniel Kaiser von CMS Hasche Sigle mandatiert, um den Aufhebungsvertrag abzustimmen.
Schweizer selbst wurde im Zuge der internen Untersuchung nicht befragt. Er lässt sich in rechtlicher Hinsicht von DLA Piper beraten. Corporate-Partner Simon Vogel hatte für ihn seinerzeit den Verkauf des Eventreisegutscheingeschäfts ausgehandelt, noch unter der Flagge von Dentons. Vogel wechselte im Sommer 2018 dann zu DLA Piper und nahm die Beratung des ehemaligen ‚Höhle der Löwen‘-Stars Schweizer und seine Unternehmensgruppe als Mandantschaft mit.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Artikel nach Erscheinen geändert und ergänzt.