Von offizieller Stelle wurde der Vorgang bislang nicht bestätigt. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Dr. Christoph Ernst, teilte JUVE auf Anfrage mit, die Versammlung der 38 EPA-Staaten äußere sich nicht in dieser vertraulichen Personalangelegenheit. Der Verwaltungsrat ist die Disziplinaraufsicht für Mitglieder der Beschwerdekammer. Auch Josefsson, der als Präsident der Beschwerdekammern der Dienstvorgesetzte des Richters ist, lehnte eine Stellungnahme ab.
Einer internen Anweisung zufolge, die JUVE vorliegt, erteilte Josefsson jedoch am 11. Dezember dem Richter das Hausrecht. Dieser nahm daraufhin seine Arbeit wieder auf. Der Fall des Richters hatte seit Dezember 2014 die Diskussion um die Unabhängigkeit der Beschwerdekammern maßgeblich befeuert. Die Beschwerdekammern waren erst im September aus dem Hauptgebäude in der Münchner Innenstadt an den Stadtrand nach Haar gezogen – eine Folge der Reform des EPA-Gerichts, das damit unabhängiger vom Amt und seinem Präsidenten werden soll. Am Tag nach der Entscheidung im Fall des irischen Richters war die Einweihungsfeier im neuen Dienstgebäude.
Die Dienstzeit des Richters endet turnusgemäß nach fünf Jahren Ende des Jahres. Auf eine Verlängerung konnte sich der Verwaltungsrat offenbar nicht verständigen. Der Name des Iren steht nicht auf der Liste der wiederernannten Richter, die im Amt kursiert. In der Vergangenheit war die Wiederernennung von EPA-Richtern stets eine Formalie. Weil die Amtszeit nicht verlängert wird, kehrt der Richter wieder in seine vormalige Tätigkeit als Patentprüfer zurück. Damit untersteht er disziplinarisch nicht mehr dem Verwaltungsrat, sondern direkt dem EPA-Präsidenten.
Ungeklärte Vorwürfe gegen den Richter
Der Fall hatte genau vor drei Jahren seinen Anfang genommen. Im Dezember 2014 hatte Amtschef Battistelli dem Iren Hausverbot erteilt und beim Verwaltungsrat dessen Suspendierung durchgesetzt. Grund dafür war der Vorwurf, der Mann habe nicht öffentliche Informationen weitergegeben und sich kritisch über die Beschwerdekammern und den umstrittenen EPA-Direktor Željko Topić geäußert. Der Richter hatte stets seine Unschuld beteuert. Ein Verstoß gegen die EPA-Regeln war zudem bis zuletzt umstritten.
Bereits ein halbes Jahr zuvor hatte eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer über die Befangenheit ihres eigenen Vorsitzenden wegen seiner Aufgaben in der Leitung des EPA die Diskussion um die Unabhängigkeit des EPA-Gerichts losgetreten. Das Hausverbot für den irischen Richter hatten viel Kritiker als Beleg dafür gesehen, dass sich Amtschef Battistelli zu sehr in die Belange des Gerichts einmische. Aufsichts- und Disziplinarinstanz für die Mitglieder der Beschwerdekammern ist eigentlich der Verwaltungsrat des EPA.
Zudem heizte der Fall die Diskussion um den Umgang mit Disziplinarverfahren an. Denn formal kann ein EPA-Richter nur dann vom Verwaltungsrat suspendiert werden, wenn die Große Beschwerdekammer es empfiehlt. Dies hatte das Gericht aber im vergangenen Jahr verweigert, nachdem sich Battistelli schriftlich in das laufende Verfahren eingeschaltet hatte. Die Große Beschwerdekammer sah darin eine weitere massive Einflussnahme und beendete das Verfahren ohne Empfehlung.
Internationales Arbeitsgericht spricht suspendiertem Richter Schadensersatz zu
Seinen jüngsten Höhepunkt erreichte der Fall Anfang Dezember als das ILOAT in Genf in zwei von vier Beschwerden des Richters entschied, dass der Richter wieder in sein Amt eingesetzt werden muss (Az. 3958 und 3960). Das höchste Arbeitsgericht für Bedienstete in internationalen Organisationen gestand dem EPA-Richter zudem insgesamt 35.000 Euro als Schadensersatz für moralischen Schaden und Kompensation für Verdienstausfälle plus 5 Prozent Zinsen auf die entgangene Vergütung zu.
Viele Beobachter hatten daraufhin seine dauerhafte Wiedereinsetzung gefordert. „Angesichts der massiven Verfahrensfehler, bestätigt durch die Große Beschwerdekammer und nun auch durch das ILOAT, stellt die Nichtwiederernennung eine weitere Verletzung des EPÜ dar“, sagte die Anwältin des Richters, Senay Okyay, gegenüber JUVE: „Wir werden selbstverständlich alle Rechtsmittel, die meinem Mandanten zur Verfügung stehen, vollständig ausschöpfen.“
Anders als vor der Entscheidung des Verwaltungsrats steht dem Richter der erneute Gang zum ILOAT nun zunächst nicht mehr offen. Er muss nun zuerst den langwierigen internen Beschwerdeweg durchlaufen.