Volkswagen und Porsche hatten die Ablösung von Dr. Fabian Richter Reuschle beantragt, weil sie ihn für nicht neutral hielten und sich in den Verfahren in ihren Rechten verletzt sahen. Ausschlaggebend war nach Darstellung des Gerichts, dass die Ehefrau des Richters ein vom Dieselskandal bei VW betroffenes Auto besitzt und den Konzern vor einem anderen Landgericht verklagt hat.
Der Richter hatte die Klage seiner Frau gegen VW in einer Stellungnahme selbst offengelegt. Sie hatte nach JUVE-Informationen Ende des Jahres 2018 Klage gegen die Volkswagen AG zur Rückabwicklung des Fahrzeugkaufs erhoben.
Er selbst war an der 3. und 22. Zivilkammer am Landgericht Stuttgart tätig und daher sowohl mit Klagen von Autobesitzern, als auch mit Klagen von Anlegern befasst. Aus einem der Autokundenprozesse heraus wurde er nach JUVE-Informationen auch als Richter abgelehnt. Das traf sich mit den Interessen der Autokonzerne, die ihn schon seit längerem in den Anlegerprozessen für befangen hielten.
Bundesweites Aufsehen
Es komme aber bei seiner Ablösung nicht darauf an, ob der Richter objektiv befangen sei. Es reiche schon aus, wenn ein solcher Schluss aus Sicht einer beteiligten Partei naheliege. Und in diesem Fall liege es aus Sicht von VW und der Porsche SE durchaus nicht fern, dass der Richter ein eigenes Interesse am Ausgang der Verfahren habe, argumentierte das Stuttgarter Gericht nun. Bislang hatte es sich immer wieder hinter Richter Reuschle gestellt.
Richter Reuschle hatte in den vergangenen Monaten immer wieder bundesweit für Aufsehen gesorgt. Er lud zunächst eine ganze Reihe großer Namen aus der Autobranche als Zeugen vor, darunter Ex-VW-Chef Martin Winterkorn, den damaligen Audi -Vorstandschef Rupert Stadler, den Chef des Zulieferers Bosch, Volkmar Denner, oder Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Zudem verurteilte er Bosch zur Herausgabe von Unterlagen zum Dieselskandal und die Porsche SE in zwei Fällen zu Schadensersatz in Millionenhöhe.
Fälle liegen beim OLG
Doch das Urteil gegen Bosch hob das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart wieder auf, die beiden Schadensersatzurteile werden dort noch geprüft. Einen sogenannten Vorlagebeschluss des Richters, mit dem ein zweites Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) eingeleitet werden sollte, lehnte das OLG ebenfalls ab. Es war der Ansicht, dass die am Landgericht Stuttgart verhandelten Fälle zunächst einmal dem Musterverfahren gegen VW in Braunschweig zugeordnet werden sollten.
Auf Seiten der Kläger hatte es durchaus Lob für die akribische Arbeit des Richters und dessen zum Teil deutliche Worte an die Adresse von VW gegeben. Die Gegenseite dagegen beklagte, der Richter überschreite seine Kompetenzen, um sich selbst zu profilieren.
Mit einem ersten Befangenheitsantrag war Volkswagen gescheitert – auch in zweiter Instanz vor dem OLG. Die Porsche SE hatte zudem erfolglos versucht, die Verfahren, die der Richter allesamt allein verhandelte, vor eine große Zivilkammer zu bringen.
Zukünftig im Plenum
Das wird sich nun auf jeden Fall ändern. Der neue Einzelrichter habe sämtliche übernommenen Fälle der Kammer vorgelegt, hieß es. Künftig werden sich daher nun immer jeweils drei Richter damit befassen.
Volkswagen hatte sich zum Ablehnungsgesuch nach JUVE-Informationen von Schilling Zutt & Anschütz beraten lassen. Zu dem Kernteam gehörten neben den Partnern Dr. Thomas Liebscher und Markus Pfüller auch Dr. Ben Steinbrück, Philipp von Ploetz und Dr. Richard Helwig. Sie hatten bereits Anfang 2018 Bedenken gegen die richterliche Unabhängigkeit Richter Reuschles geltend gemacht.
Hengeler Mueller stand ihrer langjährigen Mandantin Porsche mit einem Prozessteam zur Seite, das Dr. Markus Meier anführte. Dazu gehörten Partner Dr. Philipp Hanfland und die Associates Dr. Steffen Wörner, Maximilian Bülau, Kristina Große sowie Dr. Philipp Scheibenpflug.
Meiers langjähriger Senior Associate Dr. Nicolas Nohlen, der mit ihm in der Anfangsphase die Abwehr von Anlegerklagen infolge der Dieselaffäre bearbeitet hatte, war im Mai 2018 zu Ashurst gewechselt, um dort eine breite Konfliktlösungspraxis aufzubauen. (Sonja Behrens, mit Material von dpa)