JUVE: Herr Stuffer, bevor Sie im Juli 2015 Ihren Dienst im beschaulichen Friedrichshafen antraten, waren Sie Partner bei Ernst & Young und wohnten fast vier Jahre in Sao Paulo. Ein ziemlicher Kulturschock, oder?
Werner Stuffer: Klar. Obwohl man hier manchmal fast genauso lange im Stau steht wie in Brasilien.
Dennoch liegt natürlich die Frage nahe, was Sie ausgerechnet am Bodensee gereizt hat.
Unterschätzen Sie die Gegend nicht. Aber tatsächlich war der Schritt zu ZF eher zufällig. Die Aufgabe, die hier ansteht, war ausschlaggebend für meine Entscheidung. Denn die Verantwortung zu tragen für die weltweite Integration der Steuerfunktion nach der Übernahme eines nahezu gleich großen angelsächsischen Mitbewerbers in einem dermaßen schnell gewachsenen Konzern wie ZF empfand und empfinde ich als äußerst attraktiv.
Und wie sind Sie die Integration angegangen?
Zunächst stand die Frage im Fokus, ob wir die bislang dezentrale Aufstellung der Steuerabteilung auch nach der Übernahme von TRW beibehalten können. Mir war recht schnell klar, dass das in einem Unternehmen, das seine Größe und globale Aufstellung durch den Erwerb fast verdoppelt hat, nicht sein kann.
Was haben Sie verändert?
Die Steuerfunktion war bis zum vergangenen Jahr jeweils national in Deutschland, den USA, China, Mexiko und Brasilien aufgehängt, das heißt, die Berichtswege verliefen an die jeweilige Geschäftsführung vor Ort. Das haben wir nun radikal geändert. Jetzt fungiere ich als Global Head of Tax, wo also alles zusammenläuft. Darunter haben wir die Struktur in Regionen auf der einen Seite und unseren sechs Divisionen auf der anderen Seite eingeteilt. Die jeweiligen Leiter berichten an mich.
Andere Steuerabteilungen, die ebenfalls weltweit agieren, haben sich bewusst von solchen Strukturen verabschiedet und sich rein fachlich aufgestellt, also beispielsweise länderübergreifende Gruppen für Verrechnungspreise, Deklarationen oder Betriebsprüfungen eingerichtet.
Eine solche Fachgebietsstruktur gab es bei uns früher. Doch geht sie als Führungsmodell meines Erachtens an den Bedürfnissen der internen Zielgruppen vorbei. In der Bearbeitung von Fragen innerhalb der Steuerabteilung bleiben wir aber natürlich fachlich spezialisiert. Die Spezialisten für Tax Reporting und Risk Management, Umsatzsteuern oder Verrechnungspreise bleiben Spezialisten für diese Gebiete. Sie arbeiten innerhalb des Steuerbereichs in weltweit aufgestellten virtuellen Teams.
Dafür, dass Sie erst seit neun Monaten bei ZF an Bord sind, haben Sie offensichtlich schon viel umgekrempelt.
Wir sind tatsächlich die erste Zentralfunktion bei ZF, die sich konsequent neu aufgestellt hat. Das ist aber in gewisser Weise auch dem Zufall geschuldet, weil mein Counterpart bei TRW das Unternehmen früh verlassen hat. Das machte die Umstrukturierung natürlich leichter. Andere Zentralfunktionen haben sich zunächst für einen anderen Weg entschieden.
Hat dieser Kurs auch Auswirkungen auf die personelle Aufstellung in Ihrem Bereich?
Bislang haben wir das Ganze ohne arbeitsrechtliche Änderungen vollzogen, das heißt, jeder blieb am selben Standort und bei der gleichen Gesellschaft.
Die Abteilung ist also weder personell gewachsen noch geschrumpft? Das ist erstaunlich, denn der Trend geht ja in die Richtung, so viel wie möglich inhouse zu bearbeiten, was in der Regel mehr Personal bedeutet.
In Deutschland haben wir kurzfristig drei Berufsträger dazu geholt. Aber das war eine Ausnahme. Grundsätzlich verfolgen wir bei ZF insgesamt eine restriktive Einstellungspolitik. Mittelfristig wird es also darum gehen, welche repetitiven Aufgaben wir insgesamt outsourcen können, um inhouse noch mehr strategische Arbeit selber zu leisten. Outsourcen kann hier sowohl die Auslagerung an Drittanbieter oder die Bündelung in eigenen „Center of Excellence“ bedeuten.
Welche Bereiche innerhalb der Steuerfunktion kommen für ein wirkliches Outsourcing infrage?
Es liegt auf der Hand, die Deklarationspraxis in weiten Teilen auszulagern – jedenfalls in den kleineren Regionen. In Deutschland und den USA werden unsere Inhouse-Spezialisten die Steuererklärungen auch weiter selbst machen.
Vom Outsourcing profitieren würden wohl die Big Four. Verfolgen Sie auch bei anderen Mandatierungen von externen Beratern eine neue Linie?
Wir wollen jedenfalls pro Land und pro Thematik jeweils die Frage stellen: Machen wir etwas inhouse oder mit externer Hilfe? Wenn wir uns für externe Beratung entscheiden, werden dafür in der Regel immer nur zwei bis drei Gesellschaften für den gesamten Konzern infrage kommen.
Das sind sehr wenige – und können dann wohl nur international aufgestellte Gesellschaften sein.
Darauf wird es wohl hinauslaufen. Aber ich bin davon überzeugt, dass eine Beschränkung auf wenige externe Dienstleister Synergien hebt. Denn so sind die Gesellschaften gezwungen, sich intern abzustimmen. Ich hoffe, so die Anzahl der widersprüchlichen Aussagen in den verschiedenen Ländern und unseren Koordinierungsaufwand deutlich zu reduzieren. Man muss ja auch sehen: Durch unsere neue Größe haben wir eine deutlich gestiegene Einkaufskraft.
Welches ist aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung für eine weltweit aufgestellte Steuerabteilung?
Transparenz innerhalb des Konzerns zu schaffen, um den steigenden Deklarationsverpflichtungen nachkommen zu können und frühzeitig in strategische Entscheidungen eingebunden zu sein. Die praktische Frage ist also: Wie bekomme ich möglichst effizient möglichst viele notwendige Informationen? Dafür bedarf es ausgefeilter standardisierter Prozesse und einer sehr guten IT-Struktur. Das braucht, gerade bei einem durch Akquisitionen gewachsenen Konzern, sicher seine Zeit.
Das Gespräch führte Jörn Poppelbaum.