Patente

Ratiopharm und Hexal wenden das Blatt im Grundsatzstreit um Second-Medical-Use

Der sogenannte Second-Medical-Use von Arzneimitteln ist aktuell eines der wichtigsten Themen im europäischen Patentrecht. Eine bedeutende Entscheidung hat hierzu das Landgericht Düsseldorf im Verfahren AstraZeneca gegen Ratiopharm und Hexal bekannt gegeben. Danach verletzten die Generikahersteller nicht das Verwendungspatent (EP 1272195) für ein Brustkrebsmedikament mit dem Wirkstoff Fulvestrant. Beide Unternehmen können daher weiter ihre generischen Produkte in Deutschland vertreiben. Auch einen Eilantrag gegen Betapharm wiesen die Richter ab.

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Oliver Jüngst
Oliver Jüngst

Läuft das ursprüngliche Wirkstoffpatent wie im Fall von Fulvestrant aus, versuchen die Originatoren in der Regel, ihr Monopol zu verlängern, indem sie bestimmte neue Anwendungsbereiche oder Dosierungen durch Patente schützen lassen, der sogenannte Second-Medical-Use. AstraZeneca hatte, nachdem der ursprüngliche Patentschutz für Fulvestrant ausgelaufen war, verschiedene Dosierungen und Anwendungen des Wirkstoffes schützen lassen. Das Verwendungspatent EP 195 schützt die Behandlung bestimmter Brustkrebspatientinnen mit einem speziellen Krankheitsverlauf. Es steht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung in Düsseldorf.

AstraZeneca kündigte inzwischen an, wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls in Berufung zu gehen. Medienberichten zufolge verdiente Astra Zeneca zuletzt 700 Millionen Dollar jährlich mit dem Krebsmittel.

Auch rechtlich bleibt der Streit spannend. Einerseits hatte gerade das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf infolge der Pemetrexet-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den vergangenen Monaten versucht, eine Doktrin zu entwickeln, wie mit medizinischen Verwendungsansprüchen bei einem zweckgebundenen Stoffschutz umzugehen sei. Hier könnte das Gericht nun seine Haltung im Berufungsverfahren um Fulvestrant konkretisieren.   

Außerdem steht die regulatorisch interessante Frage im Raum, wie die Generikahersteller Patienten, Ärzte und Apotheker informieren müssen, dass ihre Produkte zwar für die Behandlung von Brustkrebs generell einsetzbar sind, nicht aber für die immer noch geschützten Anwendungen oder Dosierungen – wenn sie das Patent verletzen. Hierzu hatte sich die Branche Klärung im Fulvestrant-Fall erhofft. Dazu kam es nun aber nicht, weil das Gericht keine Patentverletzung erkannte und die Klage abwies.

Der Streit wurde in der Vergangenheit sehr intensiv geführt, er hat dementsprechend eine lange Vorgeschichte. Aus dem Formulierungspatent (EP 1250138) ging AstraZeneca zunächst erfolgreich gegen Hexal per Einstweiliger Verfügung vor. Nach einer Niederlage beim Landgericht Düsseldorf gab das OLG AstraZeneca Recht. Daraufhin griff das Unternehmen auch Ratiopharm mit Einstweiligen Verfügungen an, diesmal mit Erfolg schon in erster Instanz. Somit lief es bis Mitte Januar 2017 recht gut für den Originator.

Dann aber kippte das Bundespatentgericht das Formulierungspatent (EP 138) und Hexal und Ratiopharm gingen direkt in die Gegenoffensive über. Sie beantragten erfolgreich die Aufhebung der Einstweiligen Verfügungen. AstraZeneca ficht die Sache jedoch weiter in der Hauptsache aus – bislang ohne Fortune, wie das aktuelle Urteil zeigt.

Erbittert streiten die Beteiligten auch um die eigentlichen Patente. AstraZeneca ist inzwischen gegen das Nichtigkeitsurteil des Bundespatentgerichts zum Patent EP138 in die Berufung gegangen. Das Patent EP195 hingegen überlebte die Beschwerde beim Europäischen Patentamt (EPA). Gegen das Patent liegt allerdings beim Bundespatentgericht eine Nichtigkeitsklage vor, die im Herbst 2019 verhandelt werden soll. Gegen die Erteilung des dritten Patents hatten die Gegner Beschwerde beim EPA eingelegt. Eine Entscheidung gibt es noch nicht.

Vertreter AstraZeneca
Hoffmann Eitle (München): Dr. Dirk Schüßler-Langeheine, Dr. Clemens Steins, Michael Pfeifer, Dr. Thomas Bausch, Dr. Ulrike Ciesla, (beide Patentanwälte),  
Inhouse (Macclesfield): Lucy Padget (Senior Patent Director)

Vertreter Ratiopharm
Bird & Bird (Düsseldorf): Oliver Jüngst, Dr. Anna Wolters-Höhne, Dr. Annika Schneider, Kerstin Otto
Lederer & Keller (München): Dr. Michael Best (Patentanwalt)
Inhouse (London): Benn Hall

Vertreter Hexal
Arnold Ruess (Düsseldorf): Cordula Schumacher, Dr. Arno Riße, Dr. Marina Wehler
df-mp Dörries Frank-Molnia & Pohlman (München): Dr. Elisabeth Greiner, Dr. Holger Schimmel (beide Patentanwälte)
Inhouse (Holzkirchen): Phil Carey, Dr. Waltraud Fauß-Bergus

Cordula Schumacher
Cordula Schumacher

Vertreter Betapharm
Maiwald (München): Marco Stief, Heike Röder-Hitschke, Dr. Dirk Bühler, Dr. Renate Rieder (beide Patentanwälte)
Inhouse (Cambridge): Mujeebur Rahiman (Head IP Europe Dr. Reddy’s)

Landgericht Düsseldorf, 4c Zivilkammer
Dr. Sabine Klepsch (Vorsitzende Richterin)

Hintergrund: Alle Kanzleien verfügen über langjährige Beziehungen zu ihren Auftraggebern und betreuen diese jeweils seit Beginn der Auseinandersetzung.

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