Die Kommission fordert vom Rat ein Verhandlungsmandat zur Gründung eines multilateralen Gerichtshofs. Ein solches Forum könne transparenter, kohärenter und fairer als die bisher üblichen Schiedsgerichte über Beschwerden befinden, die Unternehmen im Rahmen von Investitionsschutzabkommen einbringen.
Diese Einschätzung ist in der Schieds-Community, gelinde gesagt, umstritten. Die EU hatte Pläne für einen Investitionsgerichtsgerichtshof mit festen, staatlich ernannten Richtern und einer Berufungsinstanz 2015 vorgestellt, als im Zuge der damaligen TTIP-Debatte auch die Schiedsgerichtsbarkeit ins Visier einer kritischen Öffentlichkeit geraten war. Unter anderem ist das Modell im Ceta-Abkommen zwischen der EU und Kanada verankert. Nun will sich die Kommission also nachträglich noch den offiziellen Verhandlungsauftrag bei den Regierungen der EU-Staaten abholen für das politisch und wirtschaftlich weitreichende Projekt.
Dabei herrscht nach der Konsultation an kritischen Stimmen kein Mangel. Ein großer Teil der Stellungnahmen zum multilateralen Gerichtshof ist öffentlich. So schreibt die Bayerische Staatsregierung etwa, ihr sei es „ein großes Anliegen, dass der Streitbeilegungsmechanismus für Investitionsstreitigkeiten mittelstandsfreundlich ausgestaltet wird“.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der rund 3,6 Millionen Unternehmen vertritt, bezeichnet das Vorhaben eines mulitlateralen Gerichtshofs als „charming“, da dieser immerhin günstiger wäre als der Parallelbetrieb einer Vielzahl von bilateralen Gerichten, wonach es derzeit aussieht. Am wichtigsten aber sei, dass das neue System effizienter als das bestehende wird. Dazu brauche es strikte Zeitvorgaben, über eine Berufung etwa müsse innerhalb von vier Monaten entschieden werden.
Die internationale Vereinigung von Rechtsanwälten und Anwaltskammern (IBA) wirft die Frage auf, was mit den mehr als 3.000 Investitionsabkommen passiert, die schon in Kraft sind – und auch bei Kündigung lange nachwirken. Es bestehe die Gefahr, dass zweierlei Regelsysteme gelten. Im schlimmsten Fall könne ein Investor sich auf die bestehenden Abkommen berufen, die eine außergerichtliche Streitbeilegung vorsehen, und darüber hinaus vor dem neuen Gerichtshof klagen. Die IBA weist auch daraufhin, dass die Vollstreckungsfrage völlig offen bleibt, wenn man sich vom bisherigen System ganz abwendet. Zudem dürfe nicht die Nationalität das ausschlaggebende Kriterium bei der Richtersauswahl sein – Erfahrung mit internationalen Wirtschaftskonflikten sei wichtiger.