Laut Aktiengesetz kann eine Gesellschaft Ersatzansprüche gegen ihren Vorstand oder Aufsichtsrat geltend machen, wenn sie dies mit einfacher Stimmenmehrheit auf der Hautpversammlung (HV) beschließt. Um die Ansprüche durchzusetzen, kann wiederum – mit einem zweiten Aktionärsbeschluss – ein besondererer Vertreter bestellt werden.
Die Firma Gelita hätte nach bisheriger Auffassung der Gerichte auf ihrer Hautpversammlung 2015 den Besonderen Vertreter aber gar nicht zu einer Klage ermächtigen dürfen. Bei den damals formulierten Ansprüchen geht darum, dass beim Verkauf von Unternehmensanteilen möglicherweise aktienrechtliche Meldeschwellen ignoriert worden sind – und damit spätere Dividendenausschüttungen unzulässig waren. Diese Ansprüche aber hätten sich laut OLG Karlsruhe nur gegen Vorstände und Aufsichtsrat wenden dürfen, nicht aber gegen Aktionäre der Gesellschaft. Deshalb sei die Beschlussvorlage für die Klage schon aktienrechtlich falsch – und damit auch die Bestellung des Besonderen Vertreters nichtig.
Holprige Beschlussabläufe auf der HV
Damit kommt der 11. Zivilsenat des OLG zum gleichen Ergebnis wie die Vorinstanz. Schon die Richter am Landgericht Heidelberg hatten die Klage über rund 15 Millionen Euro im März 2017 abgewiesen, denn sie sahen die Klägerin Gelita durch den besonderen Vertreter nicht wirksam gesetzlich vertreten. Schließlich seien in dem ersten HV-Beschluss zur Klageerhebung mehrere Themen gebündelt worden, von denen sich einer – die Anspruchserhebung gegen langjährige Aktionäre – als unzulässig herausgestellt habe.
Ersatzansprüche gegen Aktionäre könne nur der Vorstand selbst angehen, so das Landgericht, das in seinem Urteil von einer „Kompetenzüberschreitung der Hauptversammlungsbeschlüsse“ sprach, die „mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren sind“.
Ein Gerichtsverfahren zur Durchsetzung der Ansprüche sei nur zulässig, wenn die originär zuständigen Organe das Verfahren aufnehmen und die Prozessführung des Besonderen Vertreters genehmigen. Diese Freigabe durch die Organe, also Vorstand und Aufsichtsrat, ist laut Gerichtsunterlagen bis heute nicht erfolgt. Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Ob der Besondere Vertreter – notfalls auf eigenes Risiko – zum BGH weiterzieht, ist noch unklar.
Weitere Baustellen von Gelita
Die im Rhein-Neckar-Kreis angesiedelte Firma Gelita, die heute mit rund 2.500 Mitarbeitern etwa 700 Millionen Euro umsetzt, hat noch weitere Gerichtsverfahren zu bewältigen. Nach JUVE-Informationen gibt es noch einen Honorarstreit zwischen dem Vertreter Knüppel und der Aktiengesellschaft. Zudem wurde auf der nachfolgenden Hautpversammlung im Jahr 2016 ein weiterer Besonderer Vertreter bestellt, der in zwei Verfahren noch Ansprüche gegen Organmitglieder geltend macht. Dabei handelt es sich um den Stuttgarter Aktienrechtler Prof. Dr. Matthias Schüppen, seine Bestellung ist prozessual gesehen unstrittig. Seine Schadensersatzverfahren basieren auf anderen Argumenten als das von Knüppel. Zu diesem Komplex mit einem Streitwert von etwa 40 Millionen Euro wird im Juni am OLG Karlsruhe verhandelt.
Vertreter Gelita
Marccus (Düsseldorf): Dr. Norbert Knüppel, Dr. Christof Bremer
Vertreter Vorstände Dr. Franz-Josef Konert, Klaus Hanke
Oppenländer (Stuttgart): Dr. Thomas Trölitzsch; Associate: Dr. Teresa Bopp (geborene Trutnau)
Vertreter Aufsichtsratsmitglieder Jörg Siebert, Dr. Günther Niethammer, Dr. Christoph Kirsch, Dr. Konstanze Koepff-Röhrs
Thümmel Schütze & Partner (Stuttgart): Prof. Dr. Roderich Thümmel (Federführung), Jens Haubold; Associate: Christoph Ballmaier
Vertreter Dr. Klaus-Philipp Koepff (Mehrheitsaktionär)
Hengeler Mueller (Düsseldorf): Prof. Dr. Gerd Krieger
Vertreter Benjamin Pötzl (Neffe von Klaus-Philipp Koepff )
Witz (Mannheim): Dr. Wolfgang Witz – aus dem Markt bekannt
Berater AIG (D&O-Versicherer)
BLD Bach Langheid Dallmayr (Köln): Michael Jakobs, Bastian Finkel – aus dem Markt bekannt
Hintergrund: Alle beteiligten Anwälte stehen den jeweiligen Familienstämmen oder Organen seit Beginn der Streitigkeiten zur Seite. Sie sind mit Gesellschafterkonflikten ebenso vertraut wie mit den Herausforderungen des Aktien- und Transaktionsrechts. Oppenländer-Partner Trölitzsch etwa begleitete jüngst mit der Corporate-Praxis den Energieversorger EnBW beim Kauf des Unternehmens Deutsche Energieversorgung (DEV).
Das Duo Thümmel und Haubold verfügt ebenfalls über reichlich Erfahrung mit gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten. Beide Anwälte waren etwa für den ehemaligen Breuniger-Chef Willem van Agtmael im Einsatz, als bei der Kaufhauskette um Anteile gestritten wurde.
Der frühere SZA Schilling Zutt & Anschütz und Allen & Overy-Partner Witz war bis vor einem Jahr in der Mannheimer Sozietät Baas Overlack Witz tätig. Seit deren Aufspaltung ist Witz als Einzelanwalt für Fmailienunternehmen im Einsatz.
Gelitas Mehrheitsaktionär Klaus-Philipp Koepff, der sich hier von Hengeler-Partner Krieger verteten lässt, setzt nach Marktinformationen auch regelmäßig Dr. Jürgen Rieg aus der Stuttgarter Corporate-Boutique Kuhn Carl Norden Baum, vor allem wenn es um den sogenannten Schutzgemeinschaftsvertrag zwischen den Mitgliedern der drei Familienstämme hinter Gelita geht.
Bei der entscheidenen Hauptversammlung damals war zudem noch Dr. Thomas Heidel von der Bonner Sozietät Meilicke Hoffmann & Partner dabei, er berät Imke Koepff und ihre Angehörigen.
Gelita selbst wird schon seit einigen Jahren von der Gleiss Lutz-Partnerin Dr. Gabriele Roßkopf beraten, vor allem im Hinblick auf die Besonderen Vertreter. Darüber hinaus berät Roßkopf aber auch zu Corporate Governance und Compliance-Fragen. Die versierte Stuttgarter Gesellschaftsrechtlerin, die in dem Gelita-Komplex regelmäßig vom Hamburger Counsel Dr. Thorsten Gayk unterstützt wird, begleitete auch die ordentliche Hautpversammlung im vergangenen Jahr.