Die hessische Justiz hätte mit den Cum-Ex-Ermittlungen gegen Freshfields Rechtsgeschichte schreiben können. Sie hätte eine überfällige Diskussion darüber anstoßen können, wie (Groß)Kanzleien sich Compliance-konform zu organisieren haben. Sie hätte Leitplanken einschlagen können, wo die anwaltliche Unabhängigkeit endet und die Verantwortung des Wirtschaftsunternehmens Kanzlei beginnt. Sie hätte den Paragraph 1 der BRAO – „Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege“ – ad absurdum führen und den Berufsrechtlern ordentlich in die Parade fahren können.
All das wird nun aber dank eines strategisch durchaus geschickten Deals nicht passieren. Das Ende des Ordnungswidrigkeitenverfahrens ist (berufs)rechtspolitisch eine vertane Chance. Statt die Herausforderungen der Branche in hochkomplexen Beratungsfällen ernst zu nehmen, stellt es die individuelle Schuld in den Fokus.
Vordergründig gibt es bei dieser Entscheidung nur Sieger. Das Gericht – das die erneuten Gespräche zwischen Staatsanwaltschaft und Kanzlei angeregt hat – schließt auf diese Weise einen Nebenkriegsschauplatz inmitten der komplexen Cum-Ex-Vorgänge. Die Staatsanwaltschaft muss sich nicht mit einem Beteiligten auseinandersetzen, den sie womöglich am Ende gar nicht zu packen bekommt. Und Freshfields als Organisation ist raus aus dem Licht der Prozessöffentlichkeit, auch wenn sich einzelne ihrer früheren oder aktuellen Partner dem vielleicht noch als Zeugen aussetzen müssen.
Nicht zum Präzedenzfall zu werden – das kann man sich schon mal gut zwei Prozent des Umsatzes 2020 kosten lassen. Dass der Betrag das ,tatsächlich erlangte‘ Beratungshonorar der Kanzlei vermutlich übersteigt, ist verschmerzbar.
So profitiert auch der hessische Landeshaushalt, denn die 10 Millionen Euro, die Freshfields zahlt – freiwillig, denn eine Gegenleistung verböte das Ordnungswidrigkeitengesetz ja auch –, bleiben in der Kasse. Egal wie das Verfahren um die Maple Bank ausgeht.
Gegen diese Win-win-win-win-Situation hatten übergeordnete, fast schon idealistische Fragen nicht die geringste Chance.