Amtshaftungsklage

BayWa verliert Kampf gegen das Kartellamt endgültig vor dem BGH

Im Streit über mögliche Fehler des Bundeskartellamts im Bußgeldverfahren ‚Pflanzenschutzmittel‘ muss der Bund dem Agrarkonzern BayWa keinen Schadensersatz zahlen. Der Bundesgerichtshof hat eine Nichtzulassungsbeschwerde des Unternehmens gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln abgewiesen – und damit einen Streit beendet, der die deutsche Kartellrechtsszene stark beschäftigt hat.

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Ausgerechnet ein Kartellverfahren zu Pflanzenschutzmitteln ließ ein besonders giftiges Pflänzchen sprießen: Argwohn gegen die Methoden der Ermittlungsbehörde.

Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ging es nur noch um Anwaltskosten von 4,2 Millionen Euro aus dem Kartellverfahren, die BayWa erstattet haben wollte. Den Streit um das Bußgeld von rund 70 Milllionen Euro hatte BayWa bereits vor dem OLG Köln verloren.

Reiner Hall

In dem Streit geht es um das 2020 abgeschlossene Bußgeldverfahren gegen acht Großhändler von Pflanzenschutzmitteln. Das Amt hatte Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 157 Millionen Euro verhängt, das größte gegen BayWa. Die Unternehmen hätten sich zwischen 1998 und 2005 mindestens zweimal im Jahr auf Listenpreise verständigt. Als Kronzeugin wurde dem Ulmer Unternehmen Beiselen, das als erstes mit dem Bundeskartellamt kooperierte, das Bußgeld erlassen.

Erst Settlement, dann Klage

Sechs der Unternehmen und deren persönlich bebußte Mitarbeiter hätten die Sachverhalte als zutreffend anerkannt und einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt, hieß es vonseiten des Amtes. Dies wurde bei der Bußgeldfestsetzung berücksichtigt. Auch BayWa hatte einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt.

Im Nachgang hatte der Konzern allerdings Amtshaftungsklage erhoben: BayWa sah einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, denn das Amt habe zu Beginn der Ermittlungen drei Mitkartellanten auf einen anonymen Hinweis angesprochen und angeregt, den Vorgang intern aufzuklären und gegebenenfalls einen Kronzeugenantrag zu stellen. Diese Chance habe BayWa nicht erhalten, und damit sei das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verletzt. Letztlich habe so das Kartellamt entschieden, welche Unternehmen bußgeldfrei ausgehen können.

Viele haben BayWa heimlich die Daumen gedrückt

Mit dieser Argumentation drang das Unternehmen allerdings beim Landgericht Bonn (Az. 1 O 201/20) nicht durch. Auch vor dem OLG Köln lief es aus Sicht von BayWa nicht besser: Der Senat wies die Berufung ohne mündliche Verhandlung ab, das Bußgeld von knapp 70 Millionen Euro ist rechtskräftig (Az. 7 U 166/20). In der nun abgewiesenen Teilrevision ging es nur noch um die Anwaltskosten, die dem Unternehmen im Kartellverfahren entstanden sind, immerhin auch rund 4,2 Millionen Euro.

Begründet hat der BGH seine Entscheidung nicht. Das muss er auch nicht, wenn er Nichtzulassungsbeschwerden abweist. Die Vorinstanzen tendierten zur Sichtweise des Kartellamts: Die Kartellverstöße habe es nach seinen Ermittlungen ja unstreitig gegeben, das Bußgeld sei in der Sache also angemessen. Außerdem hätte sich BayWa nicht auf ein Settlement einlassen dürfen, wenn das Unternehmen doch das ganze Vorgehen des Amtes für rechtswidrig hält.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass selbst unter unbeteiligten Kartellrechtlern viele das Vorgehen des Amtes in diesem Fall tatsächlich für problematisch halten. Wie schon zuvor im Wurstkartell gibt es Vorgänge in der Aktenführung, die fragwürdig sind, um es milde auszudrücken. So wurde ein zentrales Aktenstück zurückdatiert. Es gab Befangenheitsanträge gegen mehrere Mitarbeiter des Amtes und eine interne Untersuchung zu den Vorgängen. Die Fallbearbeiterin, die sich nach vier Jahren daran erinnerte, dass sie damals die Rückdatierung vorgeschlagen hat, gab den Fall ab.

BayWa mag im konkreten Fall rechtlich nicht durchgedrungen sein, aber viele im Markt haben sich im Stillen gefreut, dass jemand den Mut für den außergewöhnlichen Schritt einer Amtshaftungsklage aufbringt.

Wolfgang Deselaers

Vertreter BayWa
Dr. Reiner Hall (Karlsruhe; BGH-Vertretung)
Cleary Gottlieb Steen & Hamilton (Köln): Dr. Wolfgang Deselaers (Kartellrecht), Dr. Rüdiger Harms (Konfliktlösung)
Inhouse (München): David Merz (General Counsel)

Andreas Rosenfeld

Vertreter Bundeskartellamt
Rohnke Winter (Karlsruhe): Dr. Thomas Winter (BGH-Vertretung)
Redeker Sellner Dahs (Bonn): Dr. Andreas Rosenfeld (Federführung; Kartellrecht), Prof. Dr. Peter-Andreas Brand (Konfliktlösung), Dr. Matthias Kottmann (Öffentliches Recht; beide Berlin), Dr. Daniel Neuhöfer (Strafrecht)
Inhouse (Bonn): Jörg Nothdurft (Leiter Abteilung Prozessführung und Recht)

Bundesgerichtshof, III. Zivilsenat
Dr. Ulrich Herrmann (Vorsitzender Richter)

Hintergrund: Der federführende Cleary-Partner Deselaers hat BayWa bereits im Bußgeldverfahren vertreten, zu Beginn noch unter Linklaters-Flagge. Er wechselte 2017 zur US-Konkurrentin Cleary.

Das Bundeskartellamt sieht sich äußerst selten Amtshaftungsklagen ausgesetzt, der Fall Pflanzenschutzmittel ist erst der zweite überhaupt. Der erste betraf den Hörgerätehersteller GN Store Nord, der das Amt wegen der Untersagung einer Fusion verklagte, nachdem der BGH die Verbotsentscheidung kassiert hatte. Damals vertrat Hengeler Mueller das klagende Unternehmen, das Bundeskartellamt wählte Dr. Jörg Schweda von Hogan Lovells als Prozessvertreter. 

Thomas Winter

Im Fall BayWa veranstaltete das Amt sowohl für die Vertrtetung vor den Instanzgerichten wie auch vor dem BGH Pitches, bei denen sich letztlich Redeker und Winter durchsetzten.

Im Bußgeldverfahren gab es zahlreiche weitere beteiligte Kanzleien. Agravis, die neben BayWa mit 44 Millionen Euro das zweithöchste Bußgeld erhielt, wurde von Hermanns Wagner Brück vertreten.

Zwei Unternehmen stellten nach Ermittlungsanrufen des Kartellamts Kronzeugenanträge. Am schnellsten war Beiselen, vertreten von Dr. Stefan Meßmer von der Stuttgarter Kanzlei Menold Bezler. Der ist inzwischen Partner bei Baker Tilly. Auch BSL, eine Tochter der Hauptgenossenschaft in Kiel, stellte einen Kronzeugenantrag. Das Unternehmen wurde dabei vertreten von Brock Müller Ziegenbein, später im Verfahren kam Freshfields Bruckhaus Deringer hinzu.

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