Der Litigation-Boom, den die Finanzkrise vor 15 Jahren ausgelöst hat, wirkt bis heute fort. Erst im Frühjahr 2022 gab es einen Vergleich im KapMuG-Verfahren zur Hypo Real Estate, das Teams bei Tilp auf Kläger- sowie Gleiss Lutz und Sernetz Schäfer auf Beklagtenseite gut ein Jahrzehnt beschäftigt hat.
Prozesspraxen geht aber auch ohne Finanzkrise die Arbeit nicht aus: Corona, Krieg und Klimawandel schaffen neue Konflikte – und damit eine nie erreichte Nachfrage nach Anwältinnen und Anwälten, die zu ihrer Lösung beitragen können.
ESG erobert die Disputes-Praxen
Überall auf der Welt verzögern sich Projekte, Lieferketten reißen, Finanzierungen platzen – und Russlands Krieg gegen die Ukraine beschleunigt die Transformation der europäischen Energieversorgung. Das lässt sich an einer Zunahme großvolumiger Prozesse und Schiedsverfahren erkennen, etwa zu Preisanpassungen.
Auch ohne den doppelten Schock von Krieg und Corona beschäftigen ausufernde Streitigkeiten eine große Zahl von Disputes-Praxen. Dazu zählen Massenverfahren gegen die Hersteller von Dieselmotoren und Kartellschadensersatzkomplexe wie Lkw und Zucker, die seit Jahren mit Hunderten von Verfahren die Justiz beschäftigen.
Zudem wird immer deutlicher, dass ESG-Compliance – beziehungsweise Verstöße dagegen – zunehmend Prozesspraxen in Anspruch nehmen. So zum Beispiel sogenannte Klimaklagen gegen Autohersteller und Energiekonzerne, aber auch die Aufklärung von Greenwashing-Vorwürfen wie bei der Deutsche Bank-Fondstochter DWS oder Aktionärsstreitigkeiten über Berichtspflichten des VW-Vorstands zum Klima-Lobbyismus.