Zwar handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um eine unzulässige Abschalteinrichtung, die gegen geltendes Recht verstößt. Aus diesem Einbau ergebe sich jedoch kein Anspruch auf Schadenersatz, denn Typgenehmigung sowie Zulassung des Fahrzeugs hätten weiter Bestand.
Der Kläger hatte in seiner Argumentation darauf abgestellt, dass die Betriebserlaubnis für einen Wagen vom Typ VW Eos durch den Einbau der Abschalteinrichtung erloschen sei und das Auto nie in Verkehr hätte gebracht werden dürfen. Volkswagen sei beim Verkauf der Wagen nicht im Besitz der erforderlichen Typengenehmigungen gewesen – und daran könne auch eine Reparatur der Fahrzeuge nichts ändern.
Auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) lehnten die Braunschweiger Richter ab. Die Klägerseite wollte dort maßgebliche Rechtsfragen europaweit klären lassen und setzte dazu bei den technischen EG-Übereinstimmungsbescheinigungen, den sogenannte COC (Certificate of Conformity) an. Diese seien wegen der Abgasmanipulation falsch und damit ungültig. Das Landgericht sieht die einschlägigen Rechtsnormen aber nicht als Schutzgesetze, die den Käufer vor Vermögensschäden bewahren sollen und lehnte die Klage ab.
Myright hatte den Fall quasi als Musterklage stellvertretend für weitere Fälle eingereicht, die der Rechtsdienstleister über seine Webseite eingesammelt hat. Nach eigenen Angaben vertritt der Rechtsdienstleister mehr als 100.000 VW-Kunden.
Punktsieg für VW in den USA
Gegen das Urteil werden die Kläger nach Auskunft der beratenden Kanzlei Hausfeld Berufung einlegen. Außerdem kündigte Myright bereits zehn weitere Musterklagen in den deutschen Städten mit hoher Stickoxidbelastung an. Damit soll der Druck auf VW erhöht werden. Das versuchen derzeit auch andere: In dieser Woche hatte etwa die Kanzlei Baum Reiter & Collegen angekündigt, einige Tausend Klagen von Autokäufern vor Gericht bringen zu wollen. Bislang hatte die Kanzlei den Weg favorisiert, über eine niederländische Stiftung einen europaweit gültigen Vergleich mit VW auszuhandeln.
In den USA, wo der Dieselskandal aufgedeckt wurde, konnte VW gestern ebenfalls einen Erfolg vor Gericht verbuchen: Eine Klage des Bundesstaates Wyoming wegen Verstößen gegen Umweltgesetze wurde vom zuständigen Richter Charles Breyer in San Francisco abgewiesen. Die Entscheidung könnte VW vor weiteren Milliardenkosten bewahren, da sie richtungsweisend für ähnliche Fälle sein dürfte. Andere Streitigkeiten in den USA hatte der Autobauer beigelegt, indem er Strafen und Bußgelder in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar akzeptierte und bis zu 14,7 Milliarden Dollar in einem Vergleich zahlen will, der auch die Ansprüche von Autokäufern einschließt.
In Deutschland will VW die manipulierten Dieselfahrzeuge dagegen lediglich nachrüsten und verweist in diversen Gerichtsverfahren stets darauf, keine europäischen Normen verletzt zu haben.
Vertreter Myright
Hausfeld (Berlin): Christoper Rother; Associates: Lene Kohl, Fabian Beulke
Vertreter VW
Freshfields Bruckhaus Deringer (Hamburg): Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Benedikt Wolfers; Associates: Konstantin Kohlmann, Dr. Wolfgang Junge, Eike Matthes, Tobias André; Sebastian Lutz-Bachmann
Landgericht Braunschweig, 3. Zivilkammer
Jan-Michael Seidel (Vorsitzender Richter)
Hintergrund: Hausfeld ist vor allem in den USA eine Spezialistin für Massenklagen und will auch in Europa Sammelklagen stärker durchsetzen. Dabei denkt die Kanzlei im Fall VW über Deutschland hinaus und sieht in den Verbraucherklagen ein skalierbares und europaweites Geschäft. So hat Hausfeld unter anderem mit der European Consumer Organisation (BEUC) einen Kooperationsvertrag und will noch im September mit deren Unterstützung Verbraucherklagen aus Slowenien, der Slowakei, der Schweiz sowie Estland, Lettland und Litauen bündeln und vor deutschen Gerichten anhängig machen.
Freshfields steht VW in Sachen Dieselaffäre von Beginn an in vielen Aspekten zur Seite – nur in den USA beschäftigt der Konzern andere Berater. Hauptansprechpartner für das Mandat ist Litigation-Partner Rolf Trittmann. Um die vielen Tausend Zivilklagen, in denen Dieselfahrer derzeit vor Landgerichten gegen VW und Händler klagen, kümmern sich zudem Dr. Martina de Lind van Wijngaarden, Dr. Moritz Becker und Dr. Hans-Patrick Schroeder. Für die Vertretung vor Gericht werden allerdings auch immer wieder andere Kanzleien, häufig lokale Sozietäten, mandatiert.